Freitag, 1. Januar 2016

Proschd Neijohr!

Uhs Derrer hot so e scheen Bild gemachd, do guggemohl:

 Proschd Neijohr!


Der Jahreswechsel war in Hundsbach- genau wie das Beemsche gugge- eine Gelegenheit, einander zu besuchen: Mer geht "Proschd Neijohr" sahn. Als Kind war es wichtig, in der Silvesternacht dabei zu sitzen, wenn im Fernsehen eine Silvestergala nach der nächsten gezeigt wurde. Abends wurden auch gerne nochmal die Kerrze om Beemsche angemach- solche mit Wachs, tropffrei, im Kerzenhalter.


Um kurz vor zwölf wurden dann Knaller, Kracher und Raketen bereit gelegt, un e Schächtelsche Streichholz. Um zwölf gratulierte das Fernsehen sich alleine zum Neuen Jahr, man stand auf der Straße, die Glocken der Dorfkirche läuteten und es wurden Knaller, Kracher und Raketen gezündet. Nicht Ungewöhnliches also, bis heute dürfte das im Wesentlichen gleich sein (nur dass zu den Silvestergalas eine Reihe von Kultfilmen gekommen ist, wie Dinner for one, Silvesterpunsch oder Tratsch im Treppenhaus). Die Knaller und Kracher hatten wir Kinder uns beim Bägger, beim Leni orrer on Sallersch gekauft, darunter meist auch eine solche kleine Batterie:
Bildergebnis für Feuerwerk Knaller
(Bilddatei von fr-online; falls mit der Veröffentlichung Bildrechte verletzt werden, bitte ich um Mitteilung)

Diese Kleinstböller (politisch unkorrekt als "Jurrefeerzjer" benannt) wurden nicht als Batterie gezündet, das wäre ja pure Verschwendung gewesen. Sie wurden aufgedröselt und einzeln verwendet.
Am Neujahrsmorgen war man als Kind recht früh wieder auf den Beinen, packte Knaller und Streichhölzer ein und machte sich auf: Zu Verwandtschaft und Nachbarschaft gehen, einen Knaller zünden, klingeln oder klopfen, Proschd Neijohr sahn- und dann gab es Neijohrschgeld.


 Das war auch die Zeit, als man in vielen Häusern noch "e goud Stubb" hatte, ein Renommierzimmer, das alltags nicht genutzt wurde und in dem auch es Beemsche stand. Die goud Stubb war zu Neujahr meist überheizt und roch nach feuchten Mauern, Zimmerfarn und Schlangenkaktus, Poliboy-Holzpolitur, Bohnerwachs, Plätzchen, Dornkaat, Stumpenrauch und Sunndachs Anzuch, jener Art Altherrenkleider aus schwarzem Tuch, die für die Ewigkeit gemacht waren.
(Eine Geruchsmischung, die sich in den 1970ern langsam verloren hat, danach gab's die Wohnstubb, und das roch nach Teppichboden, Ölofen, Zigarettenrauch, Plätzchen, Pfefferminzlikör und verschwitztem Dralon.)
Diese Art Proschd Neijohr sahn endete mit der Konfirmation. Danach ging man eher im Pulk von Haus zu Haus und wurde gefragt: Was trinkt der donn? Die klassische Auswahl hieß "e Korzer orrer e Likehr, mer honn aach noch e Uffgesetzter", und die Likörauswahl wechselte mit den Moden (Persiko, Escorial, Schwarzer Kater, Apfelkorn, Pfefferminzlikör, Kosakenkaffee, Baileys, Jambosala, Puschkin, Eierlikör, Batida de Coco, Eckes Edelkirsch, außerdem Chantré, Scharlachberg, Mariacron...)- und man war gut beraten, sich an de Korze se halle, sonst sah man im Neuen Jahr sehr schnell sehr alt aus.

A propos "Was trinkt der donn?"- diese Einladung konnte variiert werden:

"Was trinkt der donn?"- Gastgeber/in bietet an, trinkt aber nicht unbedingt mit.
"Was trinke mer donn?"- Gastgeber/in bietet an und trinkt unbedingt mit.
"Trinkt der ääner?" - Gastgeber/in erwägt, ein Getränk anzubieten, wenn es sein muss.
"Trinkt der kääner?" - Gastgeber/in erwägt, ein Getränk anzubieten, wenn es unbedingt sein muss.
"Hott dir schun se Meddach gess?" oder: 
"Dir werd schun se Meddach gess honn."- Gastgeber/in wird kein Getränk anbieten.
"Seid der gut eninnkomm?" - Gastgeber/in wird wahrscheinlich kein Getränk anbieten.
"Ich däht och jo ebbes anbeijre, awwer ich honn joh ganix do."Gastgeber/in wird kein Getränk anbieten.
"Ich kann och noch käh sauer Wasser anbeijre." Gastgeber/in wünscht jetzt und zukünftig nicht mehr heimgesucht zu werden.
"Ich däht och jo ebbes anbeijre, awwer ich honn joh ganix do. Orrer wardemol, ich gehnemol gugge, mer mischde noch...."  Gastgeber/in wird ein Getränk anbieten, das seit Jahren zu diesem Zweck im   Schrank steht, Gast wird ablehnen.

"So, ewei werdemol ääner getrunk!" Gastgeber/in hat schon Standgas und freut sich auf's gemeinsame Getränk.

Antwortvarianten, je nach Einladung und Situation, sind:

"Alleh fart dann."           Gast wartet schon aufs Getränk.
"Awwer e klääner."         Gast wartet schon aufs Getränk.
"Was hosche donn?"       Gast wartet schon aufs Getränk, hat aber früher mal schlechte Erfahrungen mit der Vorauswahl durch Gastgeber gemacht.
"Näh, lossemol."             Gast kennt das Getränk, das der Gastgeber/in zu diesem Zweck seit Jahren im Schrank stehen hat.
"Näh, mer honn noch käh se Meddach gess."Gast kennt das Getränk, das der Gastgeber zu diesem Zweck seit Jahren im Schrank stehen hat.
"Um Goddes Wille näh."  Gast hat nachts zuvor die Likörauswahl genommen.

"Um Goddes Wille, näh. Orrer nohre e ganz kläner." Gast hat nachts zuvor die die Korzer-Auswahl
genommen.  
"Hosche e Glas sauer Wasser?" Gast hat Durst.
"Hosche noch vun deim Uffgesetzde?" Gast hat gute Erfahrungen mit den Eigenkreationen der Gastgeber
gemacht
"Hosche e Glas sauer Wasser?" Gast hat keinen Durst, hat aber schlechte Erfahrungen mit den
Eigenkreationen der Gastgeber gemacht.
"So, mer mache mol weijrer." Gast hat noch andere interessante Ziele anzulaufen.

Foto: Uhs Derrer.
So, mer mache jetzemol weijrer.

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