Samstag, 2. Januar 2016

De Nas noh

Beim Schreiben von "Proschd Neijohr" und dem Geruch der "goud Stubb" habe ich mich an so manchen Geruch erinnert, der früher einmal zum Alltag gehörte.


Mittagessen an einem Samstag im Herbst oder Winter- Jetz gehmermol de Nas noh:




Die Monnsleit kame erinn in die Kisch, honn die Stiwwel ausgezoh un die Rossasogge an die uffen Backuwedeer gestellt oder geleht.
 
Im Uhwe brennts Feier, es Uhwerohr is hääß. Seitsches uffem Uhwe steht e groß Dibbe met Vehgrumbeere.

 Iwwerm Uhwe hängt Wäsch fer se driggele. Die Ohm hot se de Morje met Kernsäerf gewäsch. Jetz huggt die Ohm neewerem Uhwe.

 Uff die Uhweplatt is e Stick Grumbeer gefall un angebrennt.

 Es gibt Grumbeere met Specksooß un sauere Bohne.
De Vadder lässt ähner zeije, die Modder schellt.
Ähm Kind lääft die Nas, die Ohm hielt e sauwer Sackduuch aussem Kirrlschorz un butzt em die Nas ab.

Es is hääß in de Kisch, de Ohb machd's Finnschder uff, vun drauß reijschts kalt un noh Hingelsstall.
Uff de Finschderbank leijt em Ohb sei Stumbe.

Wenn gess is un die Monnsleit wirrer drauß senn werd die Modder das Dibbe met de Vehgrumbeere vum Uhwe huhle. Wenns e bissje abgekeijhlt is, kimmt Schrot eninn un's werd gestombt. Die Ohm wollt noch beijele, die Wäsch um Speicher is fascht drugge.

Die Modder stellt Wasser uff, es is joh Samschdaach, un nohheer werd gebaad.
 











Manche Gerüche kann man noch finden.
Manche nicht mehr.

Rossasogge: Stiefelsocken, in der Luxusvariante aus Rosshaar. Der richtige Geruch entwickelt sich erst mit der Zeit. Einzigartig die Aromaverstärkung bei richtiger Lagerung auf der Backofenklappe.

Feier im Uhwe: Ofenfeuer, morgens mit handgespleisten Spänchen und Streichholz angezündet, über Tag je nach Hitzebedarf mit Holzscheiten oder einem Brikett unterhalten. 

Es Uhwerohr is hääß. Heißes Ofenrohr. In der Küche meist als Blechrohr, in de goud Stubb gerrne als emailliertes Rohr. (Der Geruch ist unterschiedlich.) Wo das Rohr in die Wand geht, ergibt sich je ein Eigengeruch, je nachdem, ob die Wand verputzt ist (Küche) oder tapeziert (Stubb).

Groß Dibbe: Große Töpfe waren oft aus Alu. Sie standen auf dem Ofen a) als Kochwäschdibbe b) als Wuzzefourerdibbe c) als Wasserdibbe, wommer viel Wasser brauchd. Sie riechen deutlich anders als emaillierte Töpfe, Eisentöpfe oder gar Gusseisentöpfe. (Von Edelstahl oder Teflon garnicht zu reden.)

Vehgrumbeere: Viehkartoffeln, größer als die Speisekartoffeln. (Verleitete Vor-Veganer zu dem Schwur, "Grumbeere nohre se esse, wonn se dorsch die Sau gong senn.") Bildeten die Basisernährung für Stallwutzen, welchselbe so etwa bis Oktober, November im Ställchen gefüttert wurden- und dann ins Haus geholt wurden. Konnten nicht ganz so penibel wie die Grumbeere vor Frost oder ansetzender Fäulnis geschützt werden, damit entwickelten sie mit zunehmender Zeit einen süßlichen Oberton.

Wäsch fer se driggele: Wäsche, die schnell getrocknet werden musste, fand Platz über dem Küchenofen. (Entweder über die Ofenklappe gehängt oder auf einem ausziehbaren kleinen Gestell, das an der Wand über dem Ofen befestigt war.)


Die Geruchsentwicklung war abhängig von Art und Alter des Gewebes, verwendetem Reinigungsmittel in Korrelation mit vorausgegangener Verschmutzung und Dauer des Reinigungsvorganges, Hitze des Ofens.

Kernsäerf: Reinigungsmittel

Ohm neewerem Uhwe: In Herdnähe war meist ein Sitzplatz für hochbetagte Familienmitglieder. Wenn es hochbetagte weibliche Familienmitglieder waren, ergab sich ein Geruch von Kittelschürzenbaumwolle (schwarz oder schwarz mit feinstem Blümchenmuster) an Relingofen. (Bei hochbetagten männlichen Familienmitgliedern ergab sich ein Geruch von Aanzuchbitter (sunndachs aan) oder alldachs aan (bitter, aber stärker kernseifenreguliert).

Grumbeer angebrennt: Die Kartoffel (Hundsbacher Grundnahrungsmittel, pur orrer dorsch die Sau) entwickelt je sehr unterschiedliche Gerüche, wenn sie-
- roh auf eine heiße Ofenplatte fällt
- gekocht auf eine heiße Ofenplatte fällt
(... egal wie: Die Ofenplatte muss gereinigt und gescheuert werden, ein Fall für Enablitz am folgenden Morgen), weiter wenn sie
- im Emailledibbe aanbrennt
- im groore Dibbe aanbrennt
- als Vehgrumbeer, leicht überlagert, aanbrennt

Specksooß: 40 g Fett, klein gewürfeltes Rauchfleisch, 1 Zwiebel mit 40 g Mehl anschwitzen, 1/4 bis 1/2 Liter Fleischbrühe dazu, 1 Lorbeer, Salz, Pfeffer, evt. Muskat. Kann auch nur mit Zwiebeln gemacht werden. (Variante: Mit Essig und Zucker würzen, Kartoffelscheiben hinein= Warmer Grumbeeresalat)

Sauere Bohne: Bohnen milchsauer konserviert. (Unser erster Versuch im vergangenen Jahr ging furchtbar schief.)

De Vadder lässt ähner zeije: In dieser Qualität gewiss einer der nicht mehr findbaren Gerüche, egal, ob von Vater, Mutter, Kindern oder Nachfahren. Es fehlen einfach die Grundzutaten.

e sauwer Sackduuch aussem Kirrlschorz: Unerklärbar der Geruch, nur verständlich jenen, die es erlebt haben und wissen, wie das riecht. In Gänze womöglich nur verständlich jenen, die sowohl a) e dreggisch Sackduuch, b) e Komfermazionstaschedieschelsche c) e Kirrlschorz d) gaanix un am Aarem abgebutzt 
kennen und einzuschätzen wissen.

Wo mer grad debei senn: Eine meiner prägenden Kindheitserinnerungen hat met änem sauwere Sackduuch aussem Kirrlschorz se doun: Hinner Schneijobs ist ein Wiesenhang, Hannjobs Wiss. Im Vorschulalter kamen wir Kinder auf die Idee, da schon mal Purzelbäume runter zu schlagen. An einem schönen Tag gab es Colalutscher. Wenn man einen Colalutscher lange genug im Mund hat, wird er hauchdünn. Wenn man ihn dann in die rechte Backe schiebt und Hannjobs Wies enunner Borzelbeem schläht, weiß man sehr schnell, was man nie wieder tun sollte. Heulend, lamentierend und Blut sabbernd bin ich bei die Anna-Oma (meine Urgroßmutter) gelääf, un doh hott se e sauwer Sackduuch aussem Kirrlschorz gezoh uns mer in die Bagge gestobbt un gescholl: "Wenn de ewei net met Heile uffheerschd, genn ich derr e Grund fer se heile." Sie wusste zu trösten.

Hingelsstall: Mer weäres orrer mer weäres net. Erkläre kommers net.
em Ohb sei Stumbe: siehe Hingelsstall. Nohre schlimmer.

Unn?  Hosches geroch?

Joh? Donn wääesche, woss ich mähne.

2 Kommentare: