Samstag, 16. Januar 2016

Parrschtunn

Dinnschdaachs war Parrschdunn. (Das Doppel-r hört man nicht, sprich: Pa'schdunn.) Konfirmandenunterricht. Von Zwei bis Vier, glaube ich. Zu meiner Parrschdunnzeit hieß das: Pfarrer Runkel. (De Parre.) Auch lange vorher schon, ganze Generationen haben sich unter Pfarrer Runkel durch den Katechismus gequält und nach zwei Jahren mehr oder weniger heftig fer die Preijfung gelehrt. Parrschdunn, das hieß: Nach der Schule (und dem Mittagsessen) ans Parrgemähnehaus, waade, bis de Parre kimmt, Biwel, Gesongbuch un Katechismus debei.
Eine gewisse Spannung war dahinter, weil man im ersten Jahr- als Katechumene (Katschemäne) mit den Großen zusammen Parrschdunn hatte- und im zweiten Jahr, als Konfirmand (Komfermant) mit den Kleinen...

Pfarrer Runkel war ein Phänomen. Meistens hatte er leicht knarzende Schuhe an.
Schaut man sich die Bilder über die Jahrzehnte an, sind es stets die anderen, an denen man das Jahr bestimmen kann- Pfarrer Runkel sah über Jahrzehnte eigentlich immer gleich aus, und er trug auch über all diese Zeit die selben Anzüge und Hemden, Anzugärmel und Hosenbein immer einen Tick zu kurz. Wenn er redete, öffnete sich kurz vorher der Mund, man sah die untere Zahnreihe, die rechte Hand fuhr über die Haare, die stets akkurat nach hinten gekämmt, nein, gestrählt waren, der Mund ging dann nochmal zu-wie auf Probe- wieder auf, und dann fing er an, zu reden. Und genau dieses nochmal zu- nochmal auf- nochmal zu des Mundes beendete auch den Redeteil.


An die Parrschdunn selbst erinnere ich mich als harte Geduldsprobe. Unser Herr Jesus Christus in den endlosen Weiten des Gelobten Landes. Spannend- ich gestehe es- einmal, als de Parre aus eigener Reiseerfahrung schilderte, wie ungeheuer groß, lang und hart die Dornen waren, die im Gelobten Land wuchsen und aus denen die Dornenkrone Unseres Herrn Jesus Christus gemacht war, die ihm richtig tief in die Stirn gedrückt wurde. (Horrorfilme waren noch nicht so in Mode und wir waren durchaus gewillt, so etwas gruselig zu finden.) Manchmal war auch äußerste Selbstbeherrschung vonnöten. Ich erinnere mich an eine Parrschdunn, da ging es um Johannes 21, 1-14: Den großen Fischzug. (Nein, ich weiß natürlich nicht auswendig, wo das steht, ich habe gerade nochmal nachgeschaut!!!) So ziemlich zu Anfang der Parrschdunn fiel also der Begriff "Der große Fischzug", und Stolzjoohbs Maddin, mir gegenüber, quetscht ein piepsiges "Fischi-Fischi" heraus, gerade so außer Hörweite vum Parre. Für 11- bis 14-jährige Anlass unendlichen unterdrückten Gegiggels- und als dann noch die Stelle kommt, "da Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, gürtete er den Rock um, denn er war nackt, und warf sich ins Meer"- da war es aus, laut lachen ging natürlich nicht, awwer mer hott noh unne geguggt und geflennt vor unnerdriggdem Lache. (Das Wort "Fischzug" kann ich bis heute nicht hören, ohne dieses "Fischi-Fischi" im Ohr zu haben.)

 Ein ganz besonderes Ereignis kurz vor der Konfirmation war die Komfermandefreizeit. Zu meiner Zeit ging sie zur Lindenmühle, Nähe Katzenelnbogen. Vor zwei Jahren war ich zufällig in der Nähe und habe mich nochmal durchgefragt.


Das war wie eine Zeitreise- es schien sich nichts verändert zu haben, und für einen Augenblick dachte ich, es müsse doch gleich jemand das Fenster aufreißen und rufen, dass das Essen fertig ist oder dass der Küchendienst dran sei.

Konfirmandenfreizeit in der Lindenmühle

Blick Richtung Klingelbach
Bei der Konfirmandenfreizeit fuhren alle Konfirmanden aus Hundsbach, Limbach, Schweinschied, Löllbach und vom Welschrötherhof- und einige der bereits Konfirmierten der Vorjahrgänge fuhren als Helfer mit.

Die Helfer waren zuständig für den Küchendienst- und sie gestalteten den Bunten Abend. Der war nichts für zarte Gemüter. Neben "Ibbel-Dibbel" und "Esel" waren vor allem Spiele beliebt, bei denen man sich gnadenlos zum Affen machen konnte. (Ein Highlight des Abends war, jemanden auszulosen, der nach draußen gerufen wurde. Dem draußen wurde erzählt, er simuliere jetzt ein Formel-1-Rennen. Denen drinnen wurde erzählt, der nächste führe gleich vor, wie er normalerweise uffem Klo huggt. So witzisch wie e Sagg voll Dischdele, däht mer heit vielleicht sahn, awwer in dem Alder hott mer um Borrem geleh un wuscht sich ganimmee se beru'ische.)

Tagsüber gab es natürlich noch einige Einheiten Parrschdunn- und dazwischen Indiaca, Völkerball, Lieder aus der Mundorgel und Gerüchte zuhauf, wer mit wem geht, wer über wen was gesagt hat- und wer sich die Füße mit Fußspray oder Deo einsprüht, statt sie zu waschen.

Die Konfirmandenfreizeit muss irgendwann vor Ostern stattgefunden haben´.
Die Preijfung muss entsprechend vorher gewesen sein. Das war ein hochoffizieller Termin, eine Art Parrschdunn mit Publikum, darunter natürlich die unvermeidbaren Sittenwächterinnen wie Fischersch Lina. Pfarrer und Presbyter entschieden, ob man konfirmiert werden kann- und zu Runkels Zeiten hatte man den Auftrag, eine endlose Reihe an Bibelzitaten, Liedern aus dem Gesangbuch und Stellen aus dem Katechismus auswendig zu lernen. In der Praxis machten die Mädchen sich meist richtig Stress damit, während die Jungen gerne auf Lücke setzten. (Zumindest behaupteten sie das.)


Tja, und irgendwie haben es wohl immer alle geschafft, die Prüfung zu überstehen und zur Konfirmation zugelassen zu werden...





Konfirmation in den 60er Jahren
Ach ja: Zum Prüfungsstoff gehörte auch, die Bücher der Bibel- Altes und Neues Testament- unfallfrei herunterzurasseln. Und, wer erinnert sich noch? Fünf BücherMoseJosuaRichterRuth... AmosObadjaJonaMichaNahumHabakukZephaniaHaggaiSacharjaMaleachi.....und bei Zaphania bloß nicht an Cellophan denken... GalaterEpheserPhilipperKolosser.... und bei Philipper nicht an Philippis denken, und dann der Timotheus durfte sich nicht auf Zeus reimen...am Schluss kam die Offenbarung, was nicht weiter wundert, denn man war dann endlich fertig.




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