Dienstag, 12. Februar 2013

Fassenachtskiechelscher

Hundsbach ist weder rheinisch noch katholisch geprägt, darum gibt es auch keine besondere Tradition zur Fassenacht. Den Rosenmontag konnte man also dazu nutzen, die Fernsehübertragung der Helau- und Alaaf- Züge anzuschauen. Als Fastnachtsgruß wurde das Mainzer Helau übernommen. Früher gab es wohl auch einen Dorfumzug, merrem Gääsbuck vorreweg. Das war vielleicht auch on de Kerb.


Merrem Gääsbuck vorreweg, vor Peidersch.

Ende der 80er Jahre gab es auch mehrere Jahre lang eine Fassenacht mit Showprogramm und Büttenreden. Legendär das Geratsche vun de Milchbonk, Uhs Christioan und viele andere Beiträge.
Zu meiner Kindheit bestand die Fassenacht aus dem Kinderkarneval on Mauersch, und Fassenacht, das war der Fastnachtsdienstag. Für mich als Kind, wohlgemerkt- für die Großen gab es die legendäre Altweiwerfassenacht, aach on Mauersch. Zurück zum Fassenachtsdinschdaach: Im Wesentlichen hatten die Jungen Cowboykostüme und Pistolen. Auch Winnetou war noch in Ordnung. Die Pistolen knallten mit rosa Papierrollen oder Kunststoffringen, deren Schmauchgeruch mir heute noch in der Nase ist, wenn ich daran denke. Die Mädchen konnten sich allerhand Kostüme erlauben, vorausgesetzt, es ließ sich dabei eine Nebenrolle im Cowboy- und Indianergeknalle besetzen. Wo das partout nicht ging oder wo eine besorgte Mutter das Rausgehen überwachte, musste das arme Kind halt in der Gaststube bleiben und Chips essen.(Was selten bis eher nicht passierte, im Gegensatz zu heute, wo manche Mutter dem eigenen Kind erklärt, was es jetzt in seinem Kostüm zu tun und zu lassen hat und gleichzeitig den anderen Kindern Anweisungen gibt, was sie zu lassen und zu tun haben und dass das jetzt vom eigenen Panz nicht böse gemeint war, und immer so weiter...(ob das in Hundsbach auch so ist, weiß ich als Weggezogene natürlich nicht, in der Eifel beobachte ich es mit Regelmäßigkeit)).

Wenn Fassenacht war, drehten sich über der Theke on Mauersch bunte Aluspiralen und in der Musikbox war die Auswahl an närrischen Liedern größer als während des Restjahres. De Bunker, der Hinterraum der Gastwirtschaft, war geöffnet und in der Mitte war eine lange Tischreihe aufgebaut, mit Konfetti und Luftschlangen.Vorne im Gastraum saßen vereinzelte Mütter dabei, und abends kamen auch schon mal die Männer vum Schaffe dazu, dann war es aber auch schon höchste Zeit, nach Hause zu gehen.

Die Ponn kracht, die Ponn kracht,

die Kiechelscher senn geback,

eraus met, eraus met,

mer stecke se in de Sack!

(Fassenachtslied aus alten Hundsbacher Zeiten,
zitiert nach meinem Ur-Onkel Schiele Jaab)




Zu Hause roch es dann noch tagelang nach Ausbackfett, denn was unbedingt zu Fassenacht gehörte, waren die Fassenachtskiechelscher, und die wurden eben auch am Dienstag gebacken. Fassenachtskiechelscher gibt es nicht nur in Hundsbach, natürlich nicht. Am vergangenen Wochenende habe ich mich im Vergleichsbacken geübt: Da waren zum Einen die Fassenachtskiechelscher aus Hefeteig und zum Vergleich die Nuuzen (auch Nautzen oder Mäuschen genannt), die in der Eifel Tradition haben, im Versuch aus Quark-Ölteig, dann noch die rheinischen Muzen-Mändelchen aus Backpulverteig. Meine Familie hat treulich beim Probeessen geholfen: Zu den Muzen-Mändelchen musste ich mehrfach einladen. Sie waren zwar schmackhaft, aber etwas trocken. Das Rezept für die eifler Nuuzen war mir direkt suspekt, enthielt es doch kein Backtriebmittel. Das Ergebnis hatte dann auch den Charme gepresster Wellpappe, ich habe nicht aufs Aufessen bestanden. Gewinner des Testbackens waren die Fassenachtskiechelscher Hundsbacher Art- ich konnte sie garnicht so schnell nachliefern, wie sie von hilfreichen Familienmitgliedern abgenommen wurden.

Moon'sche ääns?

Mittwoch, 2. Januar 2013

Areng!

Früher war ja alles besser, der Winter noch ein Winter und niemand wäre auf den Gedanken gekommen, Hundsbach als "Wintersportgebiet" zu bezeichnen, nur, weil man da Schlitten fahren konnte. Das ging schließlich in jedem anderen Dorf auch.
Archivbild einer etwas untypischen Schlittentour. Areng!


Eine Besonderheit in Hundsbach ist dagegen der Ausdruck für "Bahn frei": Das heißt "Areng". Gehört habe ich diesen Ausdruck sonst noch nirgends, aber in einem Artikel aus dem hessischen Naurod habe ich ihn in derselben Verwendung gefunden, hier ein Ausschnitt als Zitat:

Der „Aaschert“ war nur was für Weicheier

11.01.2012 - NAUROD
Von Anja Baumgart-Pietsch
In Auringen hatten die verschiedenen Cliquen eigene Rodelbahnen / Die Mutigen fuhren auf dem Bauch den Hang hinunter
(...)

Der Warn- und Schlachtruf beim Rodeln lautete „Areng! Kippaasch!“. Zu übersetzen ist das nicht. Der erste Teil hat wohl irgendetwas mit „Achtung!“ zu tun, der zweite damit, daß man bei Nichtbeachtung wohl umkippen und mit dem Gesäß im Schnee landen würde. Frei übersetzt lautet dieser Kriegsruf wohl: „Achtung! Bahn frei! Sonst passiert ein Zusammenstoß, der ungute Folgen für dich hat!“
(Zitat Ende)

Die erste Schlittenbahn, die ich kennen gelernt habe, war "hinner Hauberts". Da ging es die kurze Wiese hinunter ins Tal zu den Gärten. Dann kam "om Kerschobbsweesch" und "in de Groub", das war "hinner Rübenichs".
Zum Schlittenfahren gehörten zwei wichtige Vorbereitungen: De Schliere un die Bahn. Die Kufen mussten mit Schmirgelpapier entrostet werden und danach mit einer Speckschwarte eingerieben werden. Das tat man einmal, den Rest besorgte das tägliche stundenlange Schlittenfahren. (Die meisten hatten einen Schlitten Marke Davos, wie es ihn ja heute noch gibt. Meine Elterngeneration dagegen hatte e Schleifkaschde, der aus zwei Kufen und drei Querbrettern bestand.) Ja und die Bahn, die musste erst mal geschaffen, also gebahnt werden. Dafür ging man in einer ganzen Kinderherde mit umgedrehtem Schlitten den Hang hoch und drückte den Schnee mit der Sitzfläche des Schlittens zusammen. Eine Bahn wurde mit jedem ordentlichen Wintertag besser. Mittags, wenn die Sonne schien, wurde sie stellenweise nass und stumpf, aber gegen Abend zog es dann wieder an. Om Kerschobbsweesch haben wir dann abends auch schon mal mit dem ein oder anderen Eimer Wasser nachgeholfen, die Bahn für den folgenden Tag etwas flotter zu machen.
Gefahren wurde Sitzjes (was im Hessischen als Aaschert durchgeht) oder Bauchsches,  und wenn einer Bauchsches fuhr, konnte obenauf noch jemand Sitzjes fahren. Aber wehe für den unten, wenn es mit Schwung iwwer e Hiwwelsche ging! Besonders beliebt war auch Hängelsches, das hieß: Alle, bis auf den letzten, mussten Bauchsches fahren und ihre Füße beim Hintermann einhängen. Om Kerschobbsweesch ging das meist gut bis unner Maddins Schobb. Ab der Höhe des alten Schuppens gerieten die hinteren Schlitten meist so sehr ins Schlingern, dass die Vordermänner sie aushängen mussten, suscht is mer seitsches umgekibbd.
Ja, und dann  gab es noch Gleitschuh.
Im wirklichen Leben habe ich Gleitschuhe seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen, aber ich war ja auch schon lange nicht mehr auf einer Schlittenbahn. Tatsächlich gibt es sie noch zu kaufen, hier eine aktuelle Werbung:

Seit Jahrzehnten beliebt, bringen Gleitschuhe auf dem Eis jede Menge Spaß. Der Gleitschuh von Hudora hat verstellbare Lederriemen und eine Polsterung am Spann. Rostgeschützt ist die Schuhhalterung durch Pulverbeschichtung, die Laufschiene der Gleitschuhe ist aus verzinktem Federstahl. Erhältlich in folgenden Kombi-Größen: S: 26 - 31, M: 32 - 36, L: 37 - 41.
Hudora Gleitschuhe - Kundenbewertungen: 14 Hudora Gleitschuhe - Kundenbewertungen: 14 Hudora Gleitschuhe - Kundenbewertungen: 14 Hudora Gleitschuhe - Kundenbewertungen: 14 Hudora Gleitschuhe - Kundenbewertungen: 14 (14)
 Hudora Gleitschuhe


So Anfang, Mitte der 80er Jahre war es dann vorbei mit dem allgemeinen Schlittenfahren, es gibt aber noch einen Schneetreff dann und wann, wenn besonders viel Schnee liegt. Dann wird om Kerschobbsweesch schon mal ein Iglu errichtet und es werden Heißgetränke und Würstchen angereicht. Dann heißt es auch mal wieder Areng!