Sonntag, 24. Juli 2011

Pritschele

Kommen wir zu einer Sonder- oder Nebenform des "Maije": Das Pritschele. Ist das Maije in aller Regel mit einer einvernehmlichen Gemütsruhe verbunden (von den erwähnten Tagdieben und Faullemmeln mal abgesehen), handelt es sich beim Pritschele um eine neugiergesteuerte Triebigkeit. Das Wort vereint die Qualität der Bewegung (eilig) mit der Motivation (neugierig oder sensationsfreudig). In der Regel ist es eine weibliche Beschäftigung, es gibt auch das feminine Nomen: "Do guck, die alt' Pritschel!" (Derselbe Satz kann übrigens auch auf einen Mann oder auf ein kleines Kind Anwendung finden, aber das ist eine Typfrage.) Wurde beim Maije verziehlt unn geguckt, wird beim Pritschele geraatscht un gegafft. Während das Maije vom Aussterben bedroht ist, zeigt sich das Pritschele durchaus als überlebensfähig. Der schnelle Gang zum Ort des Geschehens, die Sensationslust, das Gaffen und Kommentieren, die Lufthoheit, das Übertreten von Grenzen des Benimms, die Wiederholungstat- "Do irres doch als' schun wirrer hienegepritschelt!" - all das macht das Pritschele zur bösen kleinen Schwester des Maije. "Do kimmt's schun wirrer aangepritschelt!" ist der Stoßseufzer dessen oder derer, die wenig begeistert sind von dieser Art der Anteilnahme; "Do weerd jetz' net hienegepritschelt!" der Imperativ, mit dem Kinder in der schnellen Neugier gebremst werden; "Was bische dann aach hienegepritschelt?!" der Rüffel, wenn sich jemand in der Neugier nicht zu bremsen wusste und sich dabei die Nase angehauen hat.

Samstag, 23. Juli 2011

Grumbeerepannekiechelscher met Abbelschmeer



Aus gegebenem Anlass und ohne weiteren Kommentar:
Grumbeerepannekiechelscher met Abbelschmeer.

Maije gehn

Das Maije. Man spricht es eher wie Maa'e'je. Eine Frühform des Chillens oder Abhängens bei Bekannten, im Unterschied dazu aber durchaus produktiv. Ich selbst kenne das Maije als Form, ohne Anmeldung und Anspruch auf Serviceleistungen (kein Kaffee, kein Gebäck) auf unbestimmbare Zeit zu Besuch zu kommen. Für eine Viertelstunde mindestens und bis zur nächsten Mahlzeit höchstens. Das Maije gehört zu einer Zeit der Haustüren mit Klinke, die höchstens nachts abgeschlossen wurden, und der Häuser, die am Tag lebten, die Wirtschafts- und Arbeitsraum waren, wo Menschen waren. Es war Teil einer komplexen Lebensform mit ungeschriebenen Gesetzen. Wer Maije gehen wollte, der fand diese Menschen auf dem Hof oder in der Küche. Die Arbeit dessen, bei dem man Maije ging, lief weiter. Es gab das Maije am Vormittag, das war dann eher den Alten vorbehalten, die sich aufgerappelt hatten und ein wenig zuschauten und kommentierten, wie das Mittagessen vorbereitet wurde. Es gab das Maije der Tagdiebe, die nichts zu schaffen hatten, der Faullemmel, die lästig und anhänglich waren. Ei aisch wollt' e bissje maije komme, und wer konnte, sah zu, aus dem Weg zu kommen. Und es gab das Maije der Hände, die zupackten. Das haben mir meine Eltern erzählt: "Beim Maije, do hot mer aach Quetsche, Keersche, Mirabelle gekeernt, orrer Erwess geplickt orrer Bohne geschnibbelt. Was so se doun war. Orrer wenn's owend's war, do hot mer beisamme gehuckt un dann hot mer's Uhwedeersche uffgemach, s' owwerscht Uhwedeersche, wäh'm Licht, unn donn hot mer do sesamme gehuckt unn verziehlt, unn das Licht vum Feier hot geflockert, dos hot gelongt, do hot mer kää Licht se mache brauche, beim Maije."

Freitag, 1. Juli 2011

Gollebiebsche

Ob es das Wort "Gollebiebsche" zu großer Bekanntheit geschafft hat, weiß ich nicht. Mir ist es eines der liebsten Wörter im Hundsbacher Platt, meiner Muttersprache. "Guggemol, e Gollebiebsche" ist zwar übersetzbar ins Hochdeutsche, verliert aber ungemein als "Schau mal, ein Marienkäfer." Übrigens war ich als Kind überzeugt, dass die Anzahl schwarzer Punkte dem Lebensalter des Gollebub entsprach.
Und natürlich gehörte es auch in Hundsbach zu den glückbringenden Ritualen, sich ein Gollebiebsche auf den Finger krabbeln zu lassen und es zum Weiterfliegen zu animieren.

Hundsbacher Platt war meine Muttersprache, von Vaterseite kam der Eisebacher Glantalslang dazu. Dementsprechend war Hochdeutsch meine erste Fremdsprache, in der ich mich heute auch vorwiegend und weitgehend unfallfrei ausdrücke. Es kamen andere Fremdsprachen und Dialekterfahrungen dazu, nach vielen Mainz-Wiesbadener Jahren und diversen Auslandsaufenthalten lebe ich nun in der Eifel, die ganz eigene sprachliche Herausforderungen bietet. Nach einigen Versuchen, mich in der Hochsprache zu verständigen, habe ich festgestellt, dass ein gemäßigtes Hundsbacher Platt erfolgreicher ist als ein gekämmtes Hochdeutsch.

"Guggemol, e Gollebiebsche" kommt halt einfach viel besser an. Wenn ich schon nicht verstanden werde, dann wenigstens auf Platt.

Ich hätte den Blog auch "Konn-doo" oder "Mondel oon" nennen können, "Schneijoobs Luische", "Katzezahl" oder "Droschele". Nun heißt er "Gollebiebsche" und hat Platz für Wörter, Worte, Wortgeschichten, für Erzähltes und Gehörtes, für Erlebtes und noch nicht ganz Vergessenes.